Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht: Bedeutung, Anwendung & Beispiele
Das Günstigkeitsprinzip ist ein zentraler Auslegungs- und Anwendungskonflikt im Arbeitsrecht. Es regelt, welche Regelung bei Kollision unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Normen zur Anwendung kommt – und zwar zugunsten des Arbeitnehmers. Es dient damit dem Schutzprinzip des Arbeitsrechts und hilft bei der Bewertung, ob z. B. ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Arbeitsvertrag vorrangig gilt.
Was besagt das Günstigkeitsprinzip?
Das Günstigkeitsprinzip besagt: Trifft eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung auf eine ungünstigere Regelung einer höherrangigen Rechtsquelle, gilt die günstigere. Es ist ein Instrument zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte und kommt besonders zum Tragen, wenn mehrere Rechtsquellen parallel gelten.
Rechtsquellen im Arbeitsrecht – Hierarchie & Anwendung
Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Regelungsebenen sind:
- Gesetze (z. B. BGB, ArbZG, KSchG)
- Tarifverträge
- Betriebsvereinbarungen
- Arbeitsverträge
- Weisungsrecht des Arbeitgebers
Grundsätzlich gilt die Normenhierarchie, wonach höherrangiges Recht niedrigeres verdrängt. Das Günstigkeitsprinzip durchbricht diese Reihenfolge dann, wenn eine individuelle Regelung günstiger für den Arbeitnehmer ist als die kollektivrechtliche Norm.
Wann kommt das Günstigkeitsprinzip zur Anwendung?
Das Prinzip kommt insbesondere zum Tragen bei:
- Kollision zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag
- Kollision zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung
- Abweichung von gesetzlichen Mindeststandards zugunsten des Arbeitnehmers
Beispiel: Ein Tarifvertrag sieht 25 Urlaubstage vor, der individuelle Arbeitsvertrag jedoch 30. In diesem Fall gelten 30 Urlaubstage – das ist für den Arbeitnehmer günstiger.
Was gilt als „günstiger“?
Ob eine Regelung günstiger ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Dabei sind folgende Kriterien entscheidend:
- Höheres Entgelt
- Längere Urlaubsansprüche
- Bessere Arbeitszeitregelungen
- Stärkere Kündigungsschutzregelungen
Wichtig: Eine Gesamtbetrachtung ist meist unzulässig. Es gilt die sog. regelungsbezogene Betrachtung – jede Regelung wird einzeln geprüft.
Grenzen des Günstigkeitsprinzips
Das Günstigkeitsprinzip findet keine Anwendung, wenn:
- eine gesetzliche Mindestvorgabe unterschritten wird (z. B. Mindestlohn)
- der Tarifvertrag eine zwingende und abschließende Regelung vorsieht
- bei konkurrierenden Betriebsvereinbarungen ohne Bezug auf Arbeitsverträge
In manchen Bereichen sind Abweichungen nur zuungunsten des Arbeitgebers zulässig – etwa im Kündigungsschutz oder Mutterschutz.
Fazit: Schutz durch das Günstigkeitsprinzip
Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht stärkt die Stellung von Arbeitnehmern bei konkurrierenden Regelungen. Es stellt sicher, dass die für den Arbeitnehmer vorteilhafteste Regelung angewendet wird – auch wenn sie aus einer niedrigeren Rechtsquelle stammt. Dadurch entsteht eine zusätzliche Schutzebene, die im Konfliktfall entscheidend sein kann.